Blitzer vor Tempo-Schild: Welcher Abstand gilt pro Bundesland?
Blitzer müssen in einem gewissen Abstand nach einem Tempolimit oder Ortseingangsschild aufgestellt werden. Zumindest in den meisten Bundesländern.
Viele Verkehrsteilnehmer, die gerade von einem Blitzer überrascht wurden, stellen sich eine der folgenden Fragen: Gibt es einen bestimmten Mindestabstand, der zwischen dem Hinweisschild und einer Radarfalle eingehalten werden muss? Und wenn ja, gibt es in Deutschland eine einheitliche Regelung oder individuelle Vorschriften je nach Bundesland?
In unserem Beitrag erfahren Sie, wie der Abstand zwischen einem Blitzer und einem Verkehrszeichen genau geregelt ist. Außerdem gehen wir näher auf ein Urteil des OLG Oldenburg ein, das sich mit dem Thema befasst hat.
Abstand zwischen Schild und Blitzer ist Ländersache
Wie Sie mit dem Hinweis auf Baden-Württemberg schon vermuten können, ist der vorgeschriebene Blitzer-Abstand Sache der einzelnen Bundesländer. Und wie so oft gleichen die verschiedenen Vorschriften einem Flickenteppich.
Blitzer-Abstand: Liste der Bundesländer
Bei den Bundesländern, die einen Abstand zwischen einem Messgerät und der Ankündigung des Tempolimits vorschreiben, gibt es eine Gemeinsamkeit. Der Abstand liegt häufig zwischen 75 und 200 Metern. Aber es gibt auch Ausnahmen: Baden-Württemberg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen schreiben keinen Mindestabstand vor.
Spitzenreiter Mecklenburg-Vorpommern
Spitzenreiter mit dem höchsten Mindestabstand zwischen Verkehrsschild und Radarfalle ist Mecklenburg-Vorpommern. Auf Autobahnen ist zwischen dem Schild mit der Geschwindigkeitsbegrenzung und dem Blitzer ein Abstand von 250 Metern vorgeschrieben. Auf Kraftfahrstraßen sind es dann nur noch 100 Meter.
Bundesland | Mindestabstand |
---|---|
Baden-Württemberg | kein Mindestabstand |
Bayern | 200 Meter |
Berlin | 75 Meter (hinter Schild für Tempolimit), 150 Meter (hinter Ortseingangsschild) |
Brandenburg | 150 Meter |
Bremen | 150 Meter |
Hamburg | kein Mindestabstand |
Hessen | 100 Meter |
Mecklenburg-Vorpommern | 100 Meter (Kraftfahrstraße), 250 Meter (Autobahn) |
Niedersachsen | 150 Meter |
Nordrhein-Westfalen | kein Mindestabstand |
Rheinland-Pfalz | 100 Meter |
Saarland | 100 Meter |
Sachsen-Anhalt | 150 Meter |
Sachsen | 100 Meter |
Schleswig-Holstein | 100 Meter |
Thüringen | 200 Meter |
Blitzer und Abstand zum Ortsschild
Bis auf Mecklenburg-Vorpommern gilt der Mindestabstand zwischen Blitzer und Verkehrszeichen auch für das Ortsschild. In Bayern und Thüringen ist ein Abstand von 200 Metern vorgeschrieben. In Berlin gibt es eine explizite Vorschrift von 150 Metern für das Ortseingangsschild – beim Tempolimit ist es nur der halbe Abstand von 75 Metern. In den restlichen Bundesländern, die eine Regel festgelegt haben, beträgt der Mindestabstand zwischen 100 und 150 Metern.
In Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen sowie in Mecklenburg-Vorpommern gibt es keine Abstandsregelung. Der Blitzer kann also direkt hinter der Ortseinfahrt aufgestellt werden.
Ausnahme von der Regel: Gefahrenstelle, Tempo 30-Zone
In den Bundesländern mit Abstandsvorschrift zum Messgerät können die zuständigen Behörden aber auch von der Regel abweichen. Vor Gefahrenstellen und Tempo 30-Zonen sowie an Kindergärten, Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Schulen kann der Abstand zum Blitzer deutlich geringer sein.
Vorschrift soll Vollbremsung verhindern
Der Hintergrund für die Regelung in vielen Bundesländern ist Folgendes: Autofahrer sollten nicht aus Angst geblitzt zu werden abrupt abbremsen, wenn sie ein Schild mit einem Tempolimit sehen. Ein riskantes Bremsmanöver bei einer hohen Geschwindigkeit würde das Unfallrisiko stark erhöhen.
Warum gibt es Bundesländer ohne Blitzer-Abstand?
Es wird davon ausgegangen, dass Autofahrer ohnehin nicht mit einer so hohen Geschwindigkeit fahren, dass sie nicht mehr rechtzeitig vor einem Schild mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung abbremsen können. Daher haben sich einzelne Bundesländer wie Baden-Württemberg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen entschieden, keinen Mindestabstand zum Blitzer vorzuschreiben.
Verwirrung um Blitzer-Abstand in Baden-Württemberg
Immer wieder informieren sich geblitzte Autofahrer, ob in Baden-Württemberg ein Abstand zwischen Blitzer und Verkehrs- und Ortseingangsschild vorgeschrieben ist.
Und das nicht ohne Grund, denn lange Zeit galt ein Mindestabstand zur Blitzeranlage. Die Verwaltungsvorschrift wurde aber 2015 gekippt. Seit dem 01. Juli 2015 kann der Blitzer also auch direkt hinter dem Ortseingangsschild aufgestellt werden.
Yvonne Krämer vom Innenministerium Baden-Württemberg erklärte in einem Interview, dass die Regeländerung bisher keinen besonderen Einfluss auf die Blitzermessungen gehabt hat bzw. etwaige Änderungen nicht bekannt sind.
Aber auch in Baden-Württemberg gelten wie deutschlandweit Vorschriften, dass ein Tempolimit klar erkennbar sein muss. Erst in Biberach mussten 1.800 geblitzte Autofahrer nicht zahlen, weil zwei Schilder übereinander angebracht wurden.
Ist ein Blitzer mit zu geringem Abstand anfechtbar?
In den Bundesländern gibt es keine Gesetze, welche den Mindestabstand zum Blitzer regeln. Die Vorschriften werden durch interne Verwaltungsrichtlinien bestimmt. Diese sind zwar nicht bindend wie Gesetze, aber dennoch gibt es eine Chance die Messung anzufechten.
Wenn in Ihrem Fall der Blitzer viel zu nah an einem Verkehrs- oder Ortseingangsschild aufgestellt wurde, können Sie sich auf den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Artikel 3 Grundgesetz berufen.
Dann müssen die Behörden und Gerichte prüfen, ob es für die Ungleichbehandlung einen konkreten Grund gibt. Ist diese nicht vorhanden, stehen die Chancen gut, dass das Verfahren eingestellt oder zumindest die Strafe reduziert werden kann.
Positives Urteil vom OLG Oldenburg
Ein Temposünder klagte gegen seine Strafe wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaft um 38 km/h. Das Amtsgericht hatte den Fahrer zu einem Bußgeld von 160,00 € verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer von 1 Monat festgesetzt.
Nach Überprüfung des Standortes der Blitzeranlage ergaben sich einige Abweichungen gegenüber dem vorgeschriebenen Mindestabstand von 150 Meter in Niedersachsen. So befand sich die Messstelle nur circa 37 Meter hinter der Ortstafel. Das Gericht urteilte in seinem Leitsatz:
„Bei Nichteinhaltung der Abstandsvorschrift zwischen geschwindigkeitsbeschränkender Anordnung und Geschwindigkeitsmessanlage kann der Schuldgehalt einer Tat geringer bewertet werden mit der Folge, dass allein die Verwirklichung des Tatbestandes noch keine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers darstellt und im Einzelfall daher von einem Regelfahrverbot Abstand genommen werden kann.“
Das Fahrverbot gegen den Beschuldigten wurde aufgehoben, da nicht begründet werden konnte, dass die Messstelle vor einem Gefahrenbereich bzw. einer Schutzzone aufgestellt wurde. (13.01.2014, Az. 2 SsBs 364/13).
Die Gerichte haben also einen gewissen Ermessungsspielraum und es kann sich durchaus lohnen, gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch einzulegen.
Geblitzt worden? Strafe berechnen
Sie sind gerade geblitzt worden oder sind von einer Bußgeldstelle mit dem Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung angeschrieben worden? In unserem Bußgeldrechner können Sie die Strafe inklusive der Messtoleranz ausrechnen und nachprüfen.