Poliscan Speed & Fm1: Messfehler begünstigen Einspruch
Ein Einspruch bei Blitzern der Poliscan Speed-Reihe kann sich lohnen. Ein Gutachten entdeckt viele Messungen außerhalb des gültigen Messbereichs.
Zusammenfassung
- Ein Gutachten entdeckt bei 305 von 520 Datensätzen einer Poliscan-Messreihe, Fotolinien teilweise oder ganz außerhalb des Auswerterahmens.
- Die Messabweichung bei dieser Messreihe betrug im Schnitt 11 km/h.
- Liegt ein Messfehler vor, kann eine drohende Strafe durch einen Einspruch vermieden werden.
LIDAR: Messung mit Lasertechnik
Immer mehr Städte und Kommunen setzen bei der Verkehrsüberwachung auf Blitzer der Firma Vitronic. Viele Autofahrer haben eine Poliscan Speed Blitzersäule schon einmal an einer Kreuzung gesehen oder sind von einem Blitzeranhänger überrascht worden – und manch einer durfte vom Blitzer aus einem Bußgeldbescheid erfahren.
Von der Firma Vitronic sind also mehrere stationäre Geschwindigkeits- und Ampelblitzer, teilstationäre Messgeräte, wie der Blitzeranhänger (Enforcement-Trailer), und mobile Blitzer im Einsatz.
Diese beruhen auf der Poliscan Speed-Technologie und setzen eine laserbasierte Messtechnik ein, bekannt auch als Light Detection and Ranging (Lidar). Das Messverfahren ist laut Vitronic berührungsfrei, misst präzise die Geschwindigkeit und benötigt keinerlei Einbauten in den Straßenbelag.
Mehrere Fahrspuren werden überwacht
Die stationäre Blitzersäule gibt es in zwei Varianten. Ist eine Poliscan Speed Säule mit drei roten Ringen ausgestattet, kann diese nur in eine Fahrtrichtung blitzen. Die Version mit vier Ringen kann beide Fahrtrichtungen überwachen. Dabei können beide Messgeräte Geschwindigkeitsüberschreitungen auf mehreren Fahrspuren kontrollieren.
Präzise Messtechnik?
Der Hersteller gibt an, dass der Blitzer Verstöße auch bei dichtem Verkehr lückenlos erfassen kann. Durch die Lasermessung sei es möglich, Tempoverstöße bei Parallelfahrten auf mehreren Fahrspuren genau zu erfassen und dem jeweiligen Fahrzeug zuzuordnen. Und das unabhängig von den Verkehrs- und Witterungsbedingungen.
Ist die Messung wirklich so genau, wie die Firma Vitronic angibt? Aus der Vergangenheit wissen wir, dass Geschwindigkeits- oder Rotlichtmessungen von Poliscan-Blitzern häufig angefochten wurden.
Wir haben uns Urteile vom Amtsgericht Berlin und vom Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf genauer angesehen. Zunächst gehen wir aber auf ein neues Urteil vom Verwaltungsgerichtshof für Baden-Württemberg ein.
Neues Urteil aus Stuttgart von 2023
Der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) für Baden-Württemberg hat in einem Urteil, das Mitte Januar 2023 veröffentlicht wurde, zugunsten des Autofahrers entschieden. Der Mann hatte zunächst erfolglos Einspruch gegen die Geschwindigkeitsmessung mit Poliscan Speed eingelegt.
Bußgeldstelle gab nicht alle Messdaten heraus
Von der zuständigen Bußgeldstelle in Karlsruhe forderte der Mann eine Reihe von Messdaten inklusive der Wartungs- und Eichungsbescheinigung des Poliscan Blitzers an. Dieses verwehrte die Behörde und das Amtsgericht Mannheim bestätigte das Vorgehen der Beamten.
Sachverständige finden Messabweichung von 11 km/h
Einige Messdaten wollte die Bußgeldbehörde nur einem Gutachter zur Verfügung stellen. Der Betroffene beauftragte daraufhin ein Sachverständigenbüro, welches die Messergebnisse untersuchte.
Die Analyse ergab, dass die Geschwindigkeit bei dieser Poliscan-Speed-Messreihe im Schnitt um 11 km/h zu hoch angezeigt wurde. Das liegt deutlich über dem Toleranzwert von 3 Prozent für standardisierte Messverfahren bei einer Geschwindigkeit von über 100 km/h.
Darüber hinaus waren über 305 der 520 untersuchten Datensätze bei diesem Poliscan Speed-Messgerät teilweise oder ganz außerhalb des gültigen Messbereichs (Auswerterahmen).
Geringe Messabweichung ist oft ausreichend
Der Fall ist keine Seltenheit: Ein auf Verkehrsrecht spezialisierter Anwalt hat deutlich mehr als hundert xml-Dateien mit konkreten Messungen durch Poliscan Speed ausgewertet.
In etwa 50% der Fälle wurden dabei Abweichungen von 1 bis 3 km/h von den vorgeworfenen Geschwindigkeiten festgestellt, die den betroffenen Mandanten zugute kamen. Als Ergebnis konnten viele Punkteeintragungen und Fahrverbote bei Poliscan-Messungen erfolgreich abgewendet werden.
Behörde muss Einsicht in weitere Messdaten gewähren
Die Richter in Stuttgart kamen zu dem Ergebnis, dass die Behörde auch weitere Messdaten zur Verfügung stellen muss. Dazu gehören beispielsweise die Lebensakte des Blitzers, also weitere bekannte Messdaten und auch Eichnachweise. Nähere Informationen zum Urteil lesen Sie hier: VerfGH Baden-Württemberg: Blitzer-Daten müssen überprüfbar sein
Amtsgericht Berlin: Freispruch nach Messung mit Poliscan Speed
In Berlin wurde einem Autofahrer vorgeworfen die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 35 km/h überschritten und eine Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG begangen zu haben. Laut Bußgeldkatalog drohte ein Monat Fahrverbot.
Gegen den Bußgeldbescheid legte der Mann Einspruch ein. Und mit Erfolg: Das Amtsgericht Berlin hat den Betroffenen von der Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen.
Die Richter waren der Ansicht, dass die Geschwindigkeitserfassung des Messgeräts selbst sowie die Messwerterzeugung nicht konkret überprüfbar sind. Es ging insbesondere um folgende Angaben, die nicht reproduziert werden können:
- konkrete Lage der Messstrecke innerhalb des Erfassungsbereiches sowie
- der gemessene Geschwindigkeitswert, der zur Bildung der ausgewiesenen Durchschnittsgeschwindigkeit führt
Somit kann laut Amtsgericht Berlin die vorgeworfene Geschwindigkeit aus den vorhandenen Messdaten nicht nachvollzogen werden. (Amtsgericht Berlin Tiergarten, 13.06.2013 Az.: (318 OWi) 3034 Js-OWi 489/13 (86/13))
Auch wenn das Urteil bereits vor einigen Jahren verkündet wurde, wird es gerne noch zitiert. Seitdem ging es auch bei vielen anderen Gerichten um die Streitfrage, ob die Rohmessdaten von Poliscan Speed nachvollziehbar sind und ob es sich um ein standardisiertes Messverfahren handelt.
Wenn Sie von Poliscan Speed geblitzt wurden, können Sie von unserer spezialisierten Partnerkanzlei für Bußgeldrecht Ihre Blitzermessung kostenlos prüfen lassen.
OLG Düsseldorf: Auswerterahmen ist maßgeblich
Ein Autofahrer wurde von einem Poliscan Speed Blitzer bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 25 km/h zu schnell außerorts geblitzt. Der Beschuldigte wollte die Strafe nicht akzeptieren und reichte Klage gegen die Geschwindigkeitsmessung ein.
Das Amtsgericht Düsseldorf verurteilte den Betroffenen zu einem Bußgeld nach dem damals gültigen Bußgeldkatalog. Daraufhin legte der verurteilte Autofahrer Rechtsbeschwerde ein und der Fall landete beim OLG Düsseldorf.

Das OLG lehnte die Rechtsbeschwerde mit der Begründung ab, dass es sich bei Geschwindigkeitsmessungen mit Poliscan Speed um ein standardisiertes Messverfahren handelt.
Werden die Auswertekriterien bei der Verwendung des Auswerterahmens eingehalten, benötigt es bei einer Urteilsbegründung keine Ausführung über die Position der Hilfslinie – vorausgesetzt, das Fahrzeug ist auf dem Beweisfoto alleine abgebildet.
Update 23.01.2023: Im weiter oben beschriebenen Fall des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg waren 58,5 % der Messungen einer Poliscan Speed-Messreihe laut Gutachten teilweise oder komplett außerhalb des gültigen Messbereichs.
Auswerterahmen und Hilfslinie
Gehen wir noch einmal einen Schritt zurück und blicken genauer auf die Funktionsweise von Poliscan Speed. Die Laser sind auf die Fahrspuren gerichtet und erfassen eine bestimmte Zone, in der die vorbeifahrenden Fahrzeuge gemessen werden. Wird ein Auto mit zu hoher Geschwindigkeit erfasst werden Blitzerfotos angefertigt, um eine Zuordnung des Fahrzeugs zu ermöglichen.
Die Geschwindigkeitszone wird als Auswertungsrahmen bezeichnet. In der Grafik wird noch eine Hilfslinie ausgerichtet, um die Erkennung des Kfz-Kennzeichens zu visualisieren und eine Fahrzeugzuordnung zu belegen. Diese dient dann als Beweismittel im Bußgeldverfahren.
Damit die Messung reibungslos funktioniert müssen nach Nr. 9.5 der Gebrauchsanweisung folgende Auswertekriterien erfüllt sein:
- Bei Frontmessung müssen sich zumindest teilweise ein Vorderrad und/oder das Kennzeichen des Fahrzeugs innerhalb des Auswerterahmens befinden.
- Weitere Verkehrsteilnehmer, die sich auf der gleichen oder einer unmittelbar benachbarten Fahrspur in gleicher Fahrtrichtung bewegen, dürfen innerhalb des Auswerterahmens auch nicht teilweise zu sehen sein.
- Die Unterseite des Auswerterahmens muss sich unterhalb der Räder befinden.
Obwohl das OLG Düsseldorf die Rechtsbeschwerde des Beschuldigten ablehnte und zur Strafe verurteilte, bedeutet das nicht, dass ein Einspruch keinen Aussicht auf Erfolg hat. Im Gegenteil: das OLG unterstreicht mit seinem Urteil, dass die Auswertekriterien bei einer Messung mit Poliscan Speed eingehalten werden müssen.
In diesem konkreten Fall war das Auto alleine innerhalb des Auswerterahmens abgebildet und es konnten keine weiteren Fehler nachgewiesen werden. Aufgrund der Komplexität des Messverfahrens kann das aber in einem anderen Fall wieder anders aussehen.
Einspruch gegen eine Poliscan-Speed Messung prüfen
Wie ein Gutachten aus Baden-Württemberg zeigt, lagen 305 der 520 untersuchten Datensätze bei einer untersuchten Poliscan-Messreihe teilweise oder ganz außerhalb des Auswerterahmens. Obwohl dieser Fehlerwert sicherlich über dem Durchschnitt liegt, können Fehlmessungen häufiger auftreten.
Und der Auswerterahmen ist nicht der einzige mögliche Fehler. Darüber hinaus können weitere Probleme bei Poliscan-Messungen vorkommen:
- Kein ausreichender Blitzer-Abstand zum Tempolimit-Schild
- Blitzerfoto ist unscharf oder ein zweites Fahrzeug ist abgebildet
- Fehlerhafte Zuordnung der Messwerte
- Es wurden keine Rohmessdaten gespeichert oder eine Einsicht ist nicht möglich
- Veraltete Software
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