Studie: Tempo 120 könnte Verkehrstote auf Autobahnen um 35 Prozent senken

Studie: Tempo 120 könnte Verkehrstote auf Autobahnen um 35 Prozent senken

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Eine aktuelle Studie der Ruhr-Universität Bochum befeuert die Debatte um ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen.

Die aktuelle Untersuchung zum Thema Geschwindigkeit auf Autobahnen kommt zu dem Ergebnis, dass eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h jährlich Dutzende Menschenleben retten und die Zahl der Schwerverletzten deutlich reduzieren könnte.

Bochumer Studie schließt alte Datenlücke

Die Debatte um ein Tempolimit wird in Deutschland seit Jahrzehnten emotional geführt, doch belastbare, aktuelle Daten fehlten bisher. Die letzte systematische Erhebung war über 45 Jahre alt. Die Ökonomin Maike Metz-Peeters von der Ruhr-Universität Bochum hat nun diese Lücke mit einer modernen Datenanalyse geschlossen.

Ihre Studie, die im Fachjournal „Transportation Research Part A: Policy and Practice“ veröffentlicht wurde, basiert auf einem einzigartigen Datensatz. Dieser umfasst etwa die Hälfte des gesamten Autobahnnetzes und berücksichtigt die Jahre 2017 bis 2019. Mithilfe eines Algorithmus verglich die Forscherin vergleichbare Streckenabschnitte – mit und ohne Tempolimit – und zog zusätzlich Faktoren wie Straßenzustand, Verkehrsaufkommen und Wetter in Betracht.

„Eine vergleichbare Datenbasis gab es bisher nicht“, so Metz-Peeters.

Die zentralen Ergebnisse: Weniger Tote, Verletzte und Kosten

Die Analyse liefert konkrete Zahlen zu den erwartbaren Auswirkungen eines Tempolimits von 120 km/h auf bisher unbeschränkten Abschnitten:

  • 35 Prozent weniger tödliche Unfälle (entspricht etwa 58 geretteten Menschenleben pro Jahr)
  • 26 Prozent weniger Unfälle mit Schwerverletzten (etwa 904 Personen)
  • 9 Prozent weniger Unfälle mit Leichtverletzten (rund 1.375 Personen)

Hochgerechnet bedeuten diese Zahlen eine Einsparung von Unfallkosten in Höhe von etwa 216 Millionen Euro jährlich.

Besondere Wirksamkeit auf weniger befahrenen Strecken

Ein überraschendes Ergebnis der Studie ist, dass Tempolimits besonders auf weniger befahrenen Strecken sowie an Ein- und Ausfahrten wirksam sind. Die Forscherin erklärt dies damit, dass bei geringem Verkehrsaufkommen oft besonders schnell und mit großen Geschwindigkeitsunterschieden gefahren wird, was das Unfallrisiko erhöht. Bei vollem Verkehr hingegen sei ein Tempolimit weniger effektiv, da ohnehin niemand sehr schnell fahren könne.

Dies widerspricht der gängigen Empfehlung, Tempolimits flexibel zu handhaben und bei Niedrigverkehr wieder aufzuheben.

Eingeordnet: Die aktuelle politische Positionierung

Trotz der neuen Erkenntnisse bleibt die Haltung von Verbänden und Politik gespalten:

ADAC: Europas größter Automobilclub gibt keine Empfehlung für oder gegen ein generelles Tempolimit ab. Das Thema polarisiere zu sehr, und die Wirkungen seien teilweise unklar. Der Club plädiert für eine Versachlichung der Debatte und mehr flexible Temposteuerung durch Wechselverkehrszeichen.

Bundesverkehrsministerium: Der neue Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hat eine klare Haltung: „Mit mir wird es diese Diskussion nicht geben.“ Seine Begründung: Die Durchschnittsgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen liege ohnehin unter 115 km/h, und nur auf wenigen Strecken könne man wirklich schnell fahren.

Offene Fragen und Blick in die Zukunft

Die Studienautorin selbst weist darauf hin, dass die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf ein flächendeckendes Tempolimit nicht vollständig vorhersehbar ist. Einerseits könnten sich Fahrgewohnheiten anpassen und die Unfallzahlen noch stärker sinken. Andererseits bestehe die Möglichkeit, dass Tempolimits ihre warnende Wirkung verlieren, wenn sie nicht mehr gezielt gefährliche Stellen markieren.

Während die politische Umsetzung eines generellen Tempolimits in Deutschland derzeit nicht absehbar ist, liefert die Bochumer Studie eine wichtige, versachlichende Grundlage für die weitere Debatte. Sie zeigt ein signifikantes Potenzial für mehr Verkehrssicherheit auf. Einem Ziel, dem sich alle Beteiligten verpflichtet fühlen.

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