EuGH-Urteil: Schadensersatz für Thermofenster bei Daimler
Der Europäische Gerichtshof hat sein Grundsatzurteil zum Thermofenster verkündet. Können Millionen Autokäufer nun auf Schadensersatz klagen?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute in einem Grundsatzurteil zu sogenannten „Thermofenstern“ bei der Abgasreinigung entschieden, dass Käufer von Diesel-Fahrzeugen, die mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sind, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Hersteller haben. Dem Käufer muss aufgrund dieser Abschalteinrichtung einen Schaden erlitten haben (Az. C-100/21).
Demnach müssen Entschädigungen wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen auch gezahlt werden, wenn dem Autobauer kein vorsätzliches sittenwidriges Handeln nachgewiesen werden kann. Ein Vorsatz konnte aufgrund fehlender Einblicke in interne Abläufe in den bisherigen Verfahren bisher nur schwer nachgewiesen werden.
Können Diesel-Käufer nun Schadensersatz verlangen?
Die Chancen auf Schadensersatz stehen gut. Die Luxemburger Richter haben in ihrem Urteil klar gemacht, dass die Autobauer auch für Fahrlässigkeit haften. Denn das einschlägige Unionsrecht über Diesel-Emissionen schützen auch die Interessen von jedem einzelnen Käufer.
Kunde darf keinen Nachteil haben
Der Hersteller trägt auch gegenüber den Kunden die Verantwortung dafür, dass die maßgeblichen Rechtsvorschriften eingehalten sind. Ist das nicht der Fall, ist dem Kunden zumindest fahrlässig ein Nachteil bzw. ein Wertverlust entstanden.
Wertverlust muss noch bestimmt werden
Eine klare Richtschnur für die Höhe des Schadensersatz gibt es bisher nicht. Die Gerichte der Mitgliedstaaten müssen das im Einzelfall entscheiden. Wie im Dieselskandal bisher üblich, können auch die gefahrenen Kilometer, der Nutzungsvorteil, angerechnet werden.
Auch die Frage, ob überhaupt eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt, muss im Einzelnen geklärt werden. Allerdings gibt es zahlreiche Rückrufe des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) wegen dem Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung.
Die Rückrufe können Sie in der Rückruf-Datenbank des KBA einsehen oder Sie nutzen unseren kostenlosen Online-Check im Abgasskandal.
Hintergrund: Das Thermofenster
Das Thermofenster ist eine Software, die von fast allen Herstellern bei Dieselautos mit der Abgasnorm Euro 5, Euro 6 b und 6c eingesetzt wird. Sie drosselt oder deaktiviert die Abgasreinigung in Abhängigkeit von der Außentemperatur. Viele Mercedes-Diesel sind beispielsweise davon betroffen.
Umweltschutz vs. Motorschutz
Dadurch stoßen die Fahrzeuge mehr Stickoxide aus als gesetzlich erlaubt und sind weniger umweltfreundlich. Die Autobauer behaupten, dass das Thermofenster notwendig sei, um den Motor zu schützen.
Die Deutsche Umwelthilfe hat bei über 3.000 Straßenüberprüfungen festgestellt, dass kein Fahrzeug bei typischen Temperaturen im Winterhalbjahr sauber war und eine systematische Abschalteinrichtung tätig war. Droht jetzt eine neue Massenklage im Abgasskandal?
Wie es jetzt weitergeht
Die Entscheidung des EuGH, dass Hersteller auch bei Fahrlässigkeit haften, wird sich auf Schadensersatzklagen in Deutschland auswirken. Angespornt durch den Dieselskandal von VW und durch mehrere Rückrufe im Mercedes-Abgasskandal durch das Kraftfahrtbundesamt, haben sich viele Käufer für den Klageweg entschieden.
Vermutlich bis zu 1.900 Verfahren wurden noch nicht verhandelt. Viele deutsche Gerichte und auch der Bundesgerichtshof haben auf das Urteil aus Luxemburg gewartet.
Am 8. Mai verhandelt der BGH
Am 8. Mai wird der BGH einen ähnlichen Fall verhandeln und in seiner Entscheidung den deutschen Gerichten weitere Leitlinien geben. Anwaltskanzleien, die sich auf die Dieselproblematik spezialisiert haben, erwarten eine neue Welle von Klagen.
Fahren Sie einen Mercedes oder einen anderen Diesel mit eingebautem Thermofenster? In unserem Abgasskandal Online-Check können Sie eine kostenlose Ersteinschätzung zu Ihrem Fahrzeug halten inklusive einer Prognose auf Schadensersatz.