BGH am Zug: Müssen Blitzer künftig alle Messdaten speichern?

BGH am Zug: Müssen Blitzer künftig alle Messdaten speichern?

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Der Streit um Blitzer-Rohdaten geht in die nächste Runde! Ein OLG fordert mehr Transparenz und stellt die bisherige Rechtsprechung in Frage. Was das für Ihr Recht auf ein faires Verfahren und die Anfechtung Ihres Bußgeldbescheids bedeutet, entscheidet nun der BGH.
Bleiben Blitzermessungen ohne Messdatenspeicherung noch verwertbar?

Blitzer-Daten: Wie viel Einblick bekommen Sie wirklich?

Stellen Sie sich vor, Sie werden geblitzt und sollen ein Bußgeld zahlen. Sie möchten gerne genau wissen, ob die Messung wirklich stimmt. Aber was, wenn der Blitzer die genauen Messdaten gar nicht speichert? Dürfen Sie dann trotzdem zur Kasse gebeten werden?

Diese wichtige Frage beschäftigt gerade die Gerichte bis hin zum Bundesgerichtshof (BGH). Ein Gericht im Saarland hat dazu eine ganz eigene Meinung – und die könnte einiges verändern!

Das Problem mit den fehlenden Rohdaten

Wenn Sie einen Bußgeldbescheid bekommen, haben Sie eigentlich das Recht, die Messdaten des Blitzers einzusehen. Das ist wichtig, um zu überprüfen, ob alles korrekt gelaufen ist. Das Problem ist aber:

Viele moderne Blitzer speichern nur das Endergebnis – also Ihre gemessene Geschwindigkeit. Die „Rohdaten“, also die ganzen einzelnen Messwerte, die zu diesem Ergebnis führen, werden oft sofort gelöscht.

Das stellt für Sie als Autofahrer ein Problem dar! Denn ohne diese Rohdaten können Sie die Messung im Nachhinein kaum überprüfen. Ist das gerecht? Darf man Sie verurteilen, wenn Sie die Grundlage der Messung nicht kontrollieren können?

Genau diese Frage muss jetzt der BGH klären. Das Oberlandesgericht (OLG) im Saarland hat den Fall extra zum BGH geschickt (Az. 1 Ss (OWi) 112/24) und dazu eine Pressemeldung veröffentlicht.

Ein Autofahrer aus dem Saarland wehrt sich

Der Anlass für diese ganze Diskussion ist ein Fall aus St. Ingbert. Ein Mann wurde dort geblitzt, weil er angeblich 35 km/h zu schnell unterwegs war. Er sollte 250 Euro Strafe zahlen.

Der Mann hält das für ungerecht und hat deshalb mit Hilfe seiner Anwälte Rechtsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt.

Er argumentiert, dass er die Messung nicht überprüfen könne, da der Blitzer die Rohdaten nicht gespeichert habe. Dies sei seiner Ansicht nach nicht fair und verletze seine Rechte. Dabei beruft er sich auf wichtige Grundrechte aus unserer Verfassung.

Das Verfassungsgericht hat sich schon geäußert – aber nicht eindeutig

Die Frage, ob Blitzer Rohdaten speichern müssen, ist noch nicht endgültig entschieden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich in einem Urteil aus dem Jahr 2022 bereits beschäftigt, aber die Beschwerden der Autofahrer nicht direkt zur Entscheidung angenommen.

Es hat aber durchblicken lassen, dass es keinen generellen Anspruch darauf gibt, dass Behörden nur Blitzer mit Rohdatenspeicherung verwenden müssen.

Die meisten Gerichte sagen: Überprüfung ist nicht zwingend

Die meisten Oberlandesgerichte in Deutschland sind bisher der Meinung: Es ist nicht unbedingt nötig, dass man die Messung nachträglich komplett überprüfen kann. Auch einige Landesverfassungsgerichte sehen das so. Ihr Argument:

Man kann aus dem Grundsatz der „Waffengleichheit“ (also gleiche Chancen für beide Seiten im Prozess) nicht ableiten, dass extra neue Beweismittel geschaffen werden müssen (wie eben nicht gespeicherte Rohdaten). Außerdem würden die standardisierten Messverfahren durch strenge Regeln schon eine hohe Genauigkeit garantieren.

Das Problem: Bei einem Urteil vom Der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) für Baden-Württemberg (1 VB 38/18) hat in einem Urteil, das Mitte Januar 2023 veröffentlicht wurde, zugunsten des Autofahrers entschieden. Hier wurden bei einer Poliscan-Speed-Messreihe erhebliche Abweichungen bis zu 10 km/h vorgefunden.

Das Saarland sieht das anders

Der Verfassungsgerichtshof im Saarland hat aber eine ganz andere Meinung! Er hat schon 2019 entschieden: Wenn ein Blitzer, wie der Traffistar S350 keine Rohdaten speichert und die Messung deshalb nicht überprüfbar ist, dürfen die Ergebnisse nicht verwendet werden.

Die Richter im Saarland sagen: Ohne die Möglichkeit zur Überprüfung können sich die Betroffenen nicht richtig verteidigen. Ein Urteil, das sich trotzdem auf solche Messungen stützt, wäre nicht fair und rechtsstaatlich.

Der saarländische Verfassungsgerichtshof hat damals ganz deutlich gemacht: Jeder Bürger muss die Möglichkeit haben, die Grundlagen seiner Verurteilung zu erfahren, anzuzweifeln und zu überprüfen. Das ist ein ganz wichtiger Grundsatz in unserem Rechtssystem.

Jetzt muss der BGH entscheiden

Das Oberlandesgericht im Saarland steht jetzt vor einem Problem: Es ist eigentlich an die Entscheidung des eigenen Verfassungsgerichtshofs gebunden. Würde es also so entscheiden, wie das saarländische Verfassungsgericht, würde es von der Meinung der anderen Oberlandesgerichte abweichen. Um diese wichtige Rechtsfrage endgültig zu klären, hat das OLG den Fall jetzt dem Bundesgerichtshof (BGH) vorgelegt.

Der BGH muss nun die entscheidende Frage beantworten: Dürfen Messergebnisse von Blitzern, die keine Rohdaten dauerhaft speichern, in einem Gerichtsverfahren verwendet werden, wenn der Betroffene die Überprüfung fordert und keine anderen Verteidigungsmöglichkeiten hat?

Sollte der BGH der Meinung des saarländischen Verfassungsgerichtshofs folgen und diese Frage mit „Nein“ beantworten, hätte das weitreichende Folgen. Wahrscheinlich müssten dann viele Blitzer in Deutschland ausgetauscht oder modernisiert werden, die aktuell im Einsatz sind!

Wir halten Sie auf unserem Bußgeldportal natürlich über die Entscheidung des BGH auf dem Laufenden!

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