Der Dieselskandal: Das neue BGH-Urteil vom 26.06.2023
Der BGH hat im Abgasskandal verkündet, dass Thermofenster eine illegale Abschalteinrichtung sind. Eine neue Klagewelle wird erwartet.
Update: 26.06.2023: Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat heute entschieden, dass Thermofenster in Dieselmotoren als unzulässige Abschalteinrichtungen gelten. Laut dem Gerichtsurteil sind Automobilhersteller verpflichtet, Schadenersatz zu leisten, selbst wenn sie fahrlässig gehandelt haben.
Noch ist unklar, wie die Ersatzansprüche im Einzelfall genau aussehen. Die Richter in Karlsruhe geben aber folgende Anhaltspunkte:
- Käufer von Dieselautos mit Thermofenster-Technologie haben Anspruch auf Schadenersatz.
- Das gilt auch, wenn die Abgasreinigung innerhalb eines zu engen Temperaturbereichs ordnungsgemäß erfolgt.
- Grundsätzlich steht den Käufern in solchen Fällen ein Schadenersatz in Höhe von fünf bis 15 Prozent des Kaufpreises zu, so das Urteil der Richter.
BGH: Neue Rechtsprechung
Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat seine bisherige Rechtsprechung mit diesem Urteil geändert. Früher wurde entschieden, dass kein Schadenersatzanspruch besteht, da man davon ausging, dass es sich beim Thermofenster lediglich um Fahrlässigkeit und nicht um vorsätzliche Schädigung handele.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat jedoch anders entschieden und festgestellt, dass der Käufer auch bei Fahrlässigkeit einen Anspruch auf Entschädigung hat.
In Deutschland sind noch über 100.000 Verfahren zu diesem Thema offen. Die Autobauer haben bisher Schadenersatz verweigert, da sie argumentierten, dass ihre Technik rechtlich einwandfrei sei und von der Genehmigung des Kraftfahrt-Bundesamts abgedeckt werde. Die Begründung wird nun nicht mehr ausreichen.
Dieselskandal und die Klagewelle
Die Hintergründe: Der Dieselskandal, der die Automobilindustrie erschütterte, könnte bald ein weiteres Kapitel schreiben. Der Bundesgerichtshof hat angekündigt, dass ein neues Urteil Ende Juni 2023 verkündet wird. Millionen von Autofahrern und Verbrauchern verfolgen gespannt die Entwicklung.
Der Dieselskandal entstand, als bekannt wurde, dass Automobilhersteller die Abgaswerte ihrer Diesel-Fahrzeuge manipulierten. Durch den Einsatz von sogenannten Abschalteinrichtungen wurden in den Labortests niedrigere Emissionswerte gemessen als im realen Fahrbetrieb. Dies führte zu einer massiven öffentlichen Empörung und zu zahlreichen Klagen gegen die Autohersteller.
Bereits viele Urteile
Seitdem haben Gerichte in Deutschland und anderen Ländern bereits eine Reihe von Urteilen gefällt. Viele Verbraucher erhielten bereits Schadensersatz für den Wertverlust ihrer Fahrzeuge und die Beeinträchtigung der Umwelt. Für VW-Fahrer mit dem EA189-Motor gab es hierfür sogar eine Sammelklage.
Doch nicht bei jedem Fall konnten Verbaucher tatsächlich eine Entschädigung erhalten. Insbesondere bei der Abgasregulierung durch sogenannte Thermofenster gab es langwierige und kostenintensive Verfahren, die auch von vielen Gerichten zugunsten der Autohersteller entschieden wurden.
Streitpunkt Thermofenster & Vorsatz
Im Zentrum vieler Urteile stand die Frage, ob der Autobauer die Abschalteinrichtung vorsätzlich eingebaut hat und falls nicht, ob er dafür haftbar gemacht werden kann.
Für Geschädigte war es ohne Rechtsschutzversicherung kaum lohnenswert bei bestimmten Dieselmotoren gegen Mercedes oder Audi und VW vorzugehen. Das könnte sich aber nun ändern. Denn einige strittige Fragen werden nun von höchster Instanz geklärt.
Was klärt das neue BGH-Urteil im Abgasskandal?
Potenziell geschädigte Autokäufer, die rechtliche Schritte gegen Automobilhersteller aufgrund mutmaßlich illegaler Abschalteinrichtungen in ihren Fahrzeugen einleiten, können wahrscheinlich mit Schadensersatz rechnen. Die genauen Voraussetzungen dafür müssen jedoch noch geklärt werden.
Kleiner Schadensersatz
Während einer langen Diskussion hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe überlegt, ob den Klägerinnen und Klägern eine vollständige Rückabwicklung des Vertrags oder zumindest eine Art „kleiner Schadensersatz“ zusteht. Der sogenannte Dieselsenat des BGH schien tendenziell letzterer Position zuzuneigen.
In diesem Fall würden die Käufer ihre Fahrzeuge behalten können, jedoch nicht den vollen Kaufpreis erstattet bekommen. Stattdessen würde ihnen der sogenannte Minderwert ersetzt werden.
Das bedeutet, es würde die Differenz zwischen einem funktionierenden Fahrzeug ohne möglicherweise unzulässige Abschalteinrichtung und dem unwissentlich erhaltenen Fahrzeug mit der Abschalteinrichtung ausgeglichen werden.
BGH muss EuGH-Urteil umsetzen
Der BGH muss nun das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom März in deutsches Recht umsetzen. Im März senkten die Luxemburger Richterinnen und Richter die Hürden für Schadensersatz deutlich und entschieden, dass auch fahrlässiges Handeln der Autobauer ausreichend sein kann, um Anspruch auf Schadensersatz zu haben.
Bisher hatte der BGH eine solche Anspruchsberechtigung nur dann bestätigt, wenn der Hersteller bei den Abgasemissionen vorsätzlich gegenüber den Behörden und Kunden getäuscht hatte, ähnlich wie im Fall des Volkswagen-Motors EA189.
Urteilsverkündung am 26. Juni 2023
Mit dem BGH-Urteil am 26.06.2023 rückt die Aufklärung des Dieselskandals näher. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat drei Musterfälle zu Fahrzeugen von Mercedes, Audi und VW verhandelt, nachdem er diese aus den über 1.900 anhängigen Klagen ausgewählt hatte.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Urteile von untergeordneten Gerichten aufgehoben, die Schadenersatzklagen abgewiesen hatten, und sie zur erneuten Prüfung zurückverwiesen.
Richterin Eva Menges erklärte, dass die Berufungsgerichte die Frage der Haftung weiter klären müssten. Es obliegt den Autoherstellern, das ordnungsgemäße Funktionieren eines Thermofensters nachzuweisen.