Touchscreen bedienen kann für Autofahrer teuer werden. Denn während der Fahrt kann das verboten sein.
Aktualisiert am 03.08.2023 von

Touchscreen bedienen beim Autofahren: erlaubt oder verboten?

Viele Autofahrer fragen sich, ob die Benutzung des Bordcomputers unter das Handyverbot fällt oder nicht. Tatsächlich kommt es auf einzelne Umstände, wie die Blickzuwendung an.

Zusammenfassung

  • Das Bedienen eines Touchscreens als Autofahrer, kann als Handyverstoß gelten.
  • Entscheidend ist dabei, ob der Blick länger auf das Display gerichtet ist.
  • Eine kurze Blickzuwendung kann erlaubt sein.
Angeblich Handy am Steuer benutzt?
Laut Studie sind 56% der Bescheide fehlerhaft.

Das Touchscreen-Urteil vom OLG Karlsruhe

Im Frühling 2020 sorgte das Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) Karlsruhe für Schlagzeilen. Die Funktionen von elektrischen Bedienelementen im Auto könnten vom Straßenverkehr zu stark ablenken. Ein Tesla-Fahrer bekam das in Form eine Strafe zu spüren.

Der Autofahrer wollte eigentlich nur eine gewöhnliche Einstellung an seinem Touchscreen vornehmen und wurde wegen einem Handyverstoß nach § 23 Abs. 1 verurteilt.

Wenn Einstellungen im Auto durch den berührungssensitiven Bildschirm verändert werden, kann der Blick für eine längere Zeit von der Straße abgewendet werden. Und das ist gefährlich. Laut § 23 Abs 2 b darf ein elektronisches Gerät zur Information, Kommunikation oder Organsiation nur bedient und genutzt werden, wenn:

„nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.“

Fahrer war abgelenkt und fuhr in den Straßengraben

Im konkreten Fall versuchte der Tesla-Fahrer in einem Untermenü das Intervall der Scheibenwischer einzustellen. Aus diesem Grund war er längere Zeit vom Verkehrsgeschehen abgelenkt. Der Autofahrer verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug und fuhr in den Straßengraben. Dabei wurden mehrere Bäume und Straßenzeichen beschädigt.

In erster Instanz wurde der Fahrer wegen Handy am Steuer mit Sachbeschädigung zu einem Bußgeld von 200 Euro, zwei Punkten in Flensburg und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt. Die Strafe richtete sich nach dem aktuellen Bußgeldkatalog für Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten. Der Autofahrer legte Rechtsbeschwerde gegen das Urteil ein und der Fall landete vor dem OLG Karlsruhe.

Die Richter lehnten die Beschwerde mit der Begründung ab, dass es sich bei einem Touchscreen um ein elektronisches Gerät im Sinne des § 23 StVO handelt. Der Zweck der Benutzung ist dabei unerheblich, entscheidend ist, dass nur eine kurze Blickzuwendung zum elektronischen Gerät erfolgt (AZ.: 1 Rb 36 Ss 832/19).

Bußgeldbescheid erhalten?
Laut Studie sind 56% der Bescheide fehlerhaft.

Handy am Steuer: Was ist eine kurze Blickzuwendung?

Wie lange eine kurze Blickzuwendung zu einem elektronischen Gerät sein darf, ist rechtlich nicht genau definiert. Nimmt man den Tesla-Fall als Maßstab handelt es sich bei einer Einstellung in einem Untermenü mit fünf Auswahlmöglichkeiten bereits um eine längere, strafbare Blickzuwendung.

Verkehrsrechtsanwälte und Experten schauen sich die vereinzelten Urteile zu diesem Thema genau an. Aktuell kommt es noch auf den Einzelfall an und wie stark sich die Ablenkung auf den Tatvorwurf auswirkt.

Ein Beispiel: Ein Autofahrer, der mit einer Freisprechanlage telefoniert (was erlaubt ist), aber trotzdem lange auf das Display schaut und dabei einen Unfall verursacht, kann genauso bestraft werden wie eine Fahrerin, die das Handy in der Hand hält und eine SMS auf der Autobahn tippt.

Wir haben uns noch zwei Fälle angesehen, in denen die Blickzuwendung eine entscheidende Rolle spielte.

Videotelefonie ist verboten

Eine betroffene Autofahrerin hat das Smartphone weder aufgenommen noch gehalten, aber einen Videoanruf getätigt. Bei der Übertragung von Bewegtbilder sei das Ablenkungspotential so groß, dass Töne und Bilder nicht mit einer kurzen Blickzuwendung wahrgenommen werden können, so die Richter des Amtsgerichts Magdeburg. (20.08.2018, 50 OWi 775 Js 15999/18 (332/18))

Mobile und fest eingebaute Navigationsgeräte

Das Kammergericht Berlin hat klar gestellt, dass § 23 Abs. 1 StVO nicht unterscheidet, ob die Navigationssoftware in einem Bordcomputer gespeichert ist oder mobil angewendet wird. Im konkreten Fall ging es um eine Auffahrkollission im Stop-and Go-Verkehr, die passierte, weil der Fahrer während der Bedienung des Navigationsgerätes unaufmerksam war.

Die Richter weisen in Ihrem Beschluss darauf hin, dass es im Rahmen der Beweisaufnahme besonders darauf ankommt dem Beschuldigten die Dauer der Blickzuwendung nachzuweisen. Erst dann kann entschieden werden, ob der Blick gem. § 23 I a Nr. 2 b StVO nur kurz und dem Verkehrsgeschehen angepasst abgewendet war.

Touchscreen verwendet: Welche Strafen drohen?

Bei regelwidrigen Benutzung eines Touchscreens können Autofahrern ein Bußgeld, Punkte in Flensburg und ein Fahrverbot drohen. Hier finden Sie eine Übersicht über die aktuellen Strafen aus dem Bußgeldkatalog:

Bußgeldkatalog 2024 Handy am Steuer
HandyverstoßBuß­geldPunk­teFahrverbotEinspruch sinnvoll?
Handy beim Autofahren genutzt100 €1 Kostenlos prüfen
Einspruch sinnvoll? > Kostenlos prüfen
… mit Ge­fährdung150 €21 MonatKostenlos prüfen
Einspruch sinnvoll? > Kostenlos prüfen
… mit Sachbe­schädigung200 €21 MonatKostenlos prüfen
Einspruch sinnvoll? > Kostenlos prüfen
Beim Fahrrad­fahren das Handy genutzt55 €Kostenlos prüfen
Einspruch sinnvoll? > Kostenlos prüfen
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt, 01.09.2023, Bundeseinheitlicher Tatbestandskatalog

Empfehlung: Rechtliche Hilfe einholen

Mit Hilfe moderner Messverfahren können die Behörden einen Handyverstoß auf mehreren Wegen feststellen:

Mit Hilfe von Blitzerfotos, Videoaufnahmen und Verkehrskontrollen rückt die Blickzuwendung zum elektronischen Gerät häufig in den Fokus der Bußgeldstellen und Ermittlungsbeamten.

Wenn im Bußgeldbescheid der Vorwurf „Handy am Steuer“ wegen einer dem Verkehrsgeschehen nicht angepassten längeren Blickzuwendung festgestellt wird, sollten Betroffene eine kostenlose Ersteinschätzung von einem Anwalt für Verkehrsrecht einholen.

Dieser kennt die neuesten Urteile und kann sie aufklären, ob ein Einspruch Aussicht auf Erfolgt hat.

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